Indoor vs. Outdoor Radfahren, welches ist das bessere Training?
Indoor-Training auf einem Smart Trainer bietet klare Vorteile: Du hast strukturierte Vorgaben, kannst zielgerichtet trainieren und deine Wattwerte präzise im richtigen Bereich halten – vorausgesetzt, dein metabolisches Profil ist korrekt erfasst. Dadurch kannst du dich optimal auf deine Trainingsziele konzentrieren und dein Leistungspotenzial gezielt steigern.
Doch sobald du draussen unterwegs bist, entfallen diese klaren Vorgaben. Du musst dein Pacing selbst steuern und auf äussere Einflüsse wie Wind, Gelände und Verkehr reagieren. Die Herausforderung besteht darin, das strukturierte Indoor-Training auf die unvorhersehbare Realität der Strasse zu übertragen.
Dieser Blog gibt dir wertvolle Tipps, wie du den Übergang vom Indoor- zum Outdoor-Training optimal meisterst.
Pacing und Hügel: So vermeidest du unnötige Intensitäten
Wenn man nach der Indoor-Saison wieder draussen fährt, fällt oft auf, dass das Gefühl für die tatsächlich getretene Leistung fehlt (wie viel Watt man effektiv tritt). Gerade Einsteiger neigen dazu, kleine Hügel oder Anstiege zu schnell anzugehen, indem sie zu viele Watt treten, um möglichst schnell oben zu sein. Das führt dazu, dass sie weit aus dem Grundlagenbereich herauskommen und ungewollt zu viele hochintensive Belastungen in ihr Training einbauen.
Um dies zu vermeiden, solltest du bewusst vorausschauend fahren: Wenn du auf einen Hügel zufährst, schalte frühzeitig herunter, rolle entspannt in den Anstieg hinein und nimm gezielt Druck heraus. Ziel ist es, mit einer gleichmässigen, kontrollierten Belastung über den Hügel zu kommen, anstatt den Energiespeicher unnötig früh zu leeren. Besonders für Anfänger ist dies ein wichtiger Punkt, um effizienter und ausdauernder zu fahren.
Pacing für fortgeschrittene Fahrer: Wattwerte richtig steuern
Auch fortgeschrittene Fahrer machen zu Beginn der Saison oft denselben Fehler: Hügel werden mit zu hoher Intensität angefahren, und bei längeren Anstiegen fällt die Leistung oben abrupt ab, weil die Belastung nicht gleichmässig verteilt wurde. Um dies zu vermeiden, ist es essentiell, die eigenen Wattwerte am Berg zu kennen und kontrolliert zu fahren.
Ein guter Richtwert für das Grundlagentempo am Berg liegt bei etwa 2 bis 2,5 Watt pro Kilogramm Körpergewicht. Die Schwellenleistung – also das Tempo, das du an deiner anaeroben Schwelle treten kannst – liegt oft bei 3 bis 4 Watt pro Kilogramm. Falls deine VO2max unter 50 liegt, solltest du darauf achten, dass dein Grundlagentempo etwa bei 2 Watt/kg bleibt und deine Schwellenleistung nicht über 3 Watt/kg hinausgeht.
Beispiel: Ein 70 kg schwerer Athlet mit einem VO2max von 48 ml/min/kg sollte im Grundlagentempo GA1 etwa 120-140 Watt treten, während seine Schwellenleistung bei ca. 210 Watt liegt. Eine 50 kg Athletin fährt entsprechend mit etwa 80-100 Watt im Grundlagentempo und rund 150 Watt an der Schwelle. Eine gute Pacing Vorgabe am Berg wäre dann um die 180 Watt, was in etwa dem GA2 entspricht und über mehrere Stunden aufrechterhalten werden kann. Wobei zu beachten gilt, dass eine Dauerleistung an der Schwelle ca. 75min Aufrechte aufrechterhalten werden kann. Bei einer 50 kg Athletin wäre die GA2 Vorgabe dann um die 120-130 Watt. Durch diese Werte kannst du deine Pacing-Strategie optimieren und vermeiden, dass dir bei langen Anstiegen plötzlich die Energie ausgeht.
Intensitätssteuerung im wöchentlichen Training
In den wöchentlichen Trainingseinheiten geht es nicht nur darum, ausschliesslich im Grundlagenbereich zu fahren, sondern auch gezielt Intensitäten zu setzen – abhängig von deinen individuellen Zielen. Trainierst du auf lange Rennen, über drei Stunden, dann liegt der Fokus meist auf Intervallen rund um die Schwelle. Planst du eher kurze, intensive Wettkämpfe, dann solltest du deine anaerobe Kapazität gezielt trainieren.
Eine gute Faustregel für die Intensitätsverteilung lautet: Nicht mehr als 90 bis maximal 120 Minuten pro Woche über der Schwellenleistung fahren. Das bedeutet, wenn die Schwellenleistung bei 3 Watt pro Kilogramm Körpergewicht liegt, sollte der 70 kg Athlet nicht mehr als 75 bis 90 Minuten pro Woche über 210 Watt fahren. Für die 50 kg Athletin bedeutet das, nicht über 150 Watt hinauszugehen, für mehr als 75 bis 90 Minuten. Diese Begrenzung hilft dir, Überlastung zu vermeiden, dein Training effektiv zu steuern und eine kontinuierliche Leistungssteigerung zu gewährleisten.
Vorsicht beim Herzfrequenz-Monitoring
Beim Training mit Pulsgurt (Herzfrequenz-Monitoring) solltest du beachten, dass die Herzfrequenz immer verzögert auf Belastungen reagiert. Ein hoher Kraftaufwand führt sofort zu einem Anstieg der Wattwerte, doch die Herzfrequenz steigt erst nach einigen Sekunden an. Daher ist es wichtig, dies in dein Pacing einzubeziehen. Wenn du dein Training primär über die Herzfrequenz steuerst, solltest du eher defensiv fahren und darauf achten, dass du nicht mehr als eine Stunde pro Woche über deiner Schwellen-Herzfrequenz verbringst.
Die Herzfrequenz eignet sich hervorragend zur Trainingsanalyse: Sie gibt wertvolle Hinweise darauf, ob die Intensität gepasst hat, wie gross das Herz-Kreislauf-Delta war und liefert wichtige Rückschlüsse auf die Erholung. Allerdings ist sie als unmittelbare Steuerungsgrösse, während der Aktivität, oft weniger präzise als subjektive Belastungswahrnehmung und Wattwerte. Nutze sie daher vorrangig zur Trainingskontrolle und weniger als direktes Steuerungsinstrument für dein Pacing.
Fazit: Erfolgreiches Training draussen und drinnen kombinieren
Überlege dir genau, welche Trainingsziele du verfolgst und setze die entsprechenden Intensitäten gezielt ein. Achte darauf, Hügel nicht zu aggressiv anzugehen, um dich nicht frühzeitig zu erschöpfen. Gehe defensiv in Anstiege hinein und versuche, deine Wattwerte möglichst konstant bis zum Ende des Berges zu halten. Gleichzeitig ist es essentiell, genügend Zeit im Grundlagenbereich zu verbringen, um deine aerobe Basis weiterzuentwickeln.
Nutze Wattwerte als primäres Steuerungselement und verwende die Herzfrequenz vorrangig zur Analyse. Behalte im Blick, dass längere Intervalle im Schwellenbereich sinnvoll sind, aber eine Überlastung durch zu viele hochintensive Minuten vermieden werden sollte. Durchdachtes Pacing und eine bewusste Trainingssteuerung helfen dir, langfristig stärker und effizienter zu werden – egal ob auf der Rolle oder draussen auf der Strasse.
